In Gustav Nicolais Italien wie es wirklich ist (1834) spielt die Tierwelt eine wichtige Rolle bei der Darstellung des Fremden. Nebst Pferden, Schweinen, Seefischen und Fliegen sind es vor allem Flöhe, die inhaltlich und sprachlich zum »Zerrbild« (Maurer) Italiens beitragen, auf die körperliche Auseinandersetzung mit dem Südländischen hinweisen, mehrere Schauplätze der Fremderfahrung kennzeichnen und das Thema der Marginalität nicht nur in der Tierwelt, sondern auch in der Gesellschaft durch die Anknüpfung an die Bettler verstärken. Auf der narrativen Ebene übernimmt Nicolai selbst die Rolle des pulex irritans (Pierer’s Universal-Lexikon, 1858), denn er „beißt“ das traditionelle Italienbild, die deutsche Reiseliteratur nach Goethe und die enthusiastischen Reisenden in die „hesperischen Gefilde“. Eben auf die Tierwelt – z. B. auf Frösche – wird auch von Nicolais Kritikern hingewiesen, um seinen Reisebericht anzugreifen, der eben verleumderisch als „Buch gegen die Flöhe“ (cf. Annalen der deutschen und ausländischen Criminal-Rechts-Pflege, 1837) bezeichnet wird. Eine ganz andere Wertung dieses Werkes des Berliner Divisionsauditeurs bietet aber der deutsche Floh Jeaaaoui, der mit seinem »guten Ernährer« Nicolai (Adamssohn, Schreiben eines deutschen Floh’s […], 1836) durch Italien reiste, sein Buch aus dem Deutschen in die flohitanische Sprache übersetzte und sich in einem Schreiben an die italienische Freundin Wanzeninna della Wanzenuccia zu Nicolais »köstlichen Blättern« (Adamslohn), die das Volk der »Sechsfüßigen« (Adamslohn) ehren, enthusiastisch äußert. Auch in Schreiben eines deutschen Flohs wird auf unterschiedlichen Ebenen viel gebissen: Nicht nur fällt Nicolai in Italien seinem hungrigen Reisebegleiter aus der Tierwelt zum Opfer, sondern auch der Berliner und das in Italien wie es wirklich ist von ihm verehrte Vaterland werden durch den pulex irritans Adamslohn mit scharfer Ironie angegriffen. Unter anderem in Bezug auf Deutschlands Buchmarkt, Lesepublikum, Gesellschaft und Haltung zu den Juden setzt Adamslohn seinem Leser ganz deutlich einen Floh ins Ohr.

Eine Reise zu zweit: Gustav Nicolais und des Flohs Jeaaaoui Schnellfahrt durch Italien

GIOVANNINI E
2018-01-01

Abstract

In Gustav Nicolais Italien wie es wirklich ist (1834) spielt die Tierwelt eine wichtige Rolle bei der Darstellung des Fremden. Nebst Pferden, Schweinen, Seefischen und Fliegen sind es vor allem Flöhe, die inhaltlich und sprachlich zum »Zerrbild« (Maurer) Italiens beitragen, auf die körperliche Auseinandersetzung mit dem Südländischen hinweisen, mehrere Schauplätze der Fremderfahrung kennzeichnen und das Thema der Marginalität nicht nur in der Tierwelt, sondern auch in der Gesellschaft durch die Anknüpfung an die Bettler verstärken. Auf der narrativen Ebene übernimmt Nicolai selbst die Rolle des pulex irritans (Pierer’s Universal-Lexikon, 1858), denn er „beißt“ das traditionelle Italienbild, die deutsche Reiseliteratur nach Goethe und die enthusiastischen Reisenden in die „hesperischen Gefilde“. Eben auf die Tierwelt – z. B. auf Frösche – wird auch von Nicolais Kritikern hingewiesen, um seinen Reisebericht anzugreifen, der eben verleumderisch als „Buch gegen die Flöhe“ (cf. Annalen der deutschen und ausländischen Criminal-Rechts-Pflege, 1837) bezeichnet wird. Eine ganz andere Wertung dieses Werkes des Berliner Divisionsauditeurs bietet aber der deutsche Floh Jeaaaoui, der mit seinem »guten Ernährer« Nicolai (Adamssohn, Schreiben eines deutschen Floh’s […], 1836) durch Italien reiste, sein Buch aus dem Deutschen in die flohitanische Sprache übersetzte und sich in einem Schreiben an die italienische Freundin Wanzeninna della Wanzenuccia zu Nicolais »köstlichen Blättern« (Adamslohn), die das Volk der »Sechsfüßigen« (Adamslohn) ehren, enthusiastisch äußert. Auch in Schreiben eines deutschen Flohs wird auf unterschiedlichen Ebenen viel gebissen: Nicht nur fällt Nicolai in Italien seinem hungrigen Reisebegleiter aus der Tierwelt zum Opfer, sondern auch der Berliner und das in Italien wie es wirklich ist von ihm verehrte Vaterland werden durch den pulex irritans Adamslohn mit scharfer Ironie angegriffen. Unter anderem in Bezug auf Deutschlands Buchmarkt, Lesepublikum, Gesellschaft und Haltung zu den Juden setzt Adamslohn seinem Leser ganz deutlich einen Floh ins Ohr.
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