Immer mehr innovative Wirtschaftsunternehmen sind heutzutage in die lukrativen Geschäfte der organisierten Kriminalität verwickelt. Angesehene Bankhäuser führen – meist in ihren Offshore-Filialen – im Schatten des Bankgeheimnisses Nummernkonten, auf denen nicht nur hinterzogene Steuern als Schwarzgelder, sondern auch Milliardenbeträge, die aus kriminellen Geschäften stammen, „verwaltet“ (d. h. verzinst) werden. Im Bereich der Wirtschaftskriminalität zeigen sich insbesondere zwei alarmierende Phänomene: auf der einen Seite die zunehmende Überlappung der organisierten Kriminalität mit der Wirtschaftskriminalität und auf der anderen Seite ihre wachsende wechselseitige Abhängigkeit1. Die informellen Wechselbeziehungen dienen insbesondere dazu, Brücken zwischen regulierten und kriminalisierten Märkten zu schlagen und arbeits- und gewinnteilig sowohl auf legalen wie auf illegalen Märkten Waren und Dienstleistungen mit höchstmöglichen Gewinnen anzubieten und zu verkaufen. Ein Beispiel aus der italienischen Praxis: Ein Mitglied einer kriminellen Vereinigung sitzt sowohl im Aufsichtsrat einer Bank als auch im Aufsichtsrat weiterer Unternehmen, deren Mitglieder wiederum gleichzeitig dominierende Positionen in anderen Firmen besetzen bzw. dort in deren Aufsichtsräten vertreten sind. Wie in diesem Beispiel sind Banken und Konzerne häufig über gemeinsame Tochterfirmen, Beteiligungen, Dienstleistungen oder in sonstiger vielfältiger Weise miteinander verbunden2. Neben den alltäglichen sichtbaren Geschäften werden aufgrund der Entmaterialisierung von Vermögen immer weniger vom Besitz unbeweglicher Güter abhängige unrechtmäßige Geschäfte geführt, die etwa Gegenstand von Straftaten im Zusammenhang mit Markenmissbrauch sein können. Der Finanzmarkt ist eine ideale „Waschmaschine“ für die riesigen Geldströme, welche durch kriminelle Organisationen in den legalen Markt eingeschleust werden und so letztlich die Grundsätze des freien Wettbewerbs untergraben bzw. die dort geltenden Vorgaben und Regeln infiltrieren. In vielen Strafprozessen können die Strafverfolgungsbehörden bislang jedoch die illegale Herkunft von Geldern, mit denen z. B. Immobilien erworben oder Investitionen getätigt werden, nicht beweisen. Die sich hierbei ergebenden strafprozessualen Beweisprobleme zeigen, dass die klassischen Ermittlungsinstrumente ungeeignet sind, diese neuen Kriminalitätsformen zu verfolgen. Die Europäische Union hat deshalb in ihren Richtlinien spezielle Maßnahmen und Mittel entwickelt, die jeder Mitgliedsstaat umzusetzen und anzuwenden hat. Das Prinzip der „erweiterten Beschlagnahme“ wurde zuletzt mit der Richtlinie 2014/42/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union festgelegt

Die Ausgleichseinziehung in der aktuellen italienischen Strafrechtsdogmatik

RUGGIERO, GIANLUCA
2016-01-01

Abstract

Immer mehr innovative Wirtschaftsunternehmen sind heutzutage in die lukrativen Geschäfte der organisierten Kriminalität verwickelt. Angesehene Bankhäuser führen – meist in ihren Offshore-Filialen – im Schatten des Bankgeheimnisses Nummernkonten, auf denen nicht nur hinterzogene Steuern als Schwarzgelder, sondern auch Milliardenbeträge, die aus kriminellen Geschäften stammen, „verwaltet“ (d. h. verzinst) werden. Im Bereich der Wirtschaftskriminalität zeigen sich insbesondere zwei alarmierende Phänomene: auf der einen Seite die zunehmende Überlappung der organisierten Kriminalität mit der Wirtschaftskriminalität und auf der anderen Seite ihre wachsende wechselseitige Abhängigkeit1. Die informellen Wechselbeziehungen dienen insbesondere dazu, Brücken zwischen regulierten und kriminalisierten Märkten zu schlagen und arbeits- und gewinnteilig sowohl auf legalen wie auf illegalen Märkten Waren und Dienstleistungen mit höchstmöglichen Gewinnen anzubieten und zu verkaufen. Ein Beispiel aus der italienischen Praxis: Ein Mitglied einer kriminellen Vereinigung sitzt sowohl im Aufsichtsrat einer Bank als auch im Aufsichtsrat weiterer Unternehmen, deren Mitglieder wiederum gleichzeitig dominierende Positionen in anderen Firmen besetzen bzw. dort in deren Aufsichtsräten vertreten sind. Wie in diesem Beispiel sind Banken und Konzerne häufig über gemeinsame Tochterfirmen, Beteiligungen, Dienstleistungen oder in sonstiger vielfältiger Weise miteinander verbunden2. Neben den alltäglichen sichtbaren Geschäften werden aufgrund der Entmaterialisierung von Vermögen immer weniger vom Besitz unbeweglicher Güter abhängige unrechtmäßige Geschäfte geführt, die etwa Gegenstand von Straftaten im Zusammenhang mit Markenmissbrauch sein können. Der Finanzmarkt ist eine ideale „Waschmaschine“ für die riesigen Geldströme, welche durch kriminelle Organisationen in den legalen Markt eingeschleust werden und so letztlich die Grundsätze des freien Wettbewerbs untergraben bzw. die dort geltenden Vorgaben und Regeln infiltrieren. In vielen Strafprozessen können die Strafverfolgungsbehörden bislang jedoch die illegale Herkunft von Geldern, mit denen z. B. Immobilien erworben oder Investitionen getätigt werden, nicht beweisen. Die sich hierbei ergebenden strafprozessualen Beweisprobleme zeigen, dass die klassischen Ermittlungsinstrumente ungeeignet sind, diese neuen Kriminalitätsformen zu verfolgen. Die Europäische Union hat deshalb in ihren Richtlinien spezielle Maßnahmen und Mittel entwickelt, die jeder Mitgliedsstaat umzusetzen und anzuwenden hat. Das Prinzip der „erweiterten Beschlagnahme“ wurde zuletzt mit der Richtlinie 2014/42/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union festgelegt
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